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Frauensportgruppe

Der BIG Ansatz

Bewegung hat vielfältige positive Auswirkungen auf die Gesundheit: Vorbeugung von Herz-Kreislauf- Erkrankungen, Diabetes und Krebs, Vermeidung von Bluthochdruck und Übergewicht, Linderung von Beschwerden (z.B. bei Rückenschmerzen), Verbesserung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, Entwicklung von Selbstvertrauen und sozialer Unterstützung – um nur einige der gesundheitsförderlichen Wirkungen von Bewegung zu nennen

Die Chancen von dieser positiven Wirkung zu profitieren, sind jedoch ungleich verteilt. Insbesondere für Frauen in schwierigen Lebenslagen ist der Zugang zu Bewegung häufig erschwert. Frauen in schwierigen Lebenslagen sind z.B. alleinerziehend oder arbeitslos, verfügen über ein niedriges Haushaltseinkommen oder haben Schwierigkeiten aufgrund ihres Migrationshintergrunds. Verschiedene Barrieren, wie fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung, mangelnde finanzielle Ressourcen, Sprachschwierigkeiten oder kulturelle Besonderheiten hindern die Frauen an bestehenden Bewegungsangeboten teilzunehmen.

Durch BIG („Bewegung als Investition in Gesundheit“) werden diese Frauen befähigt niedrigschwellige Bewegungsangebote zu planen und umzusetzen. Unterstützt werden sie durch ein BIG-Netzwerk, welches sich aus lokalen Akteuren wie kommunalen Entscheidungsträger*innen, Praxispartnern und Multiplikator*innen zusammensetzt. Ziel von BIG ist es den Zugang zu Bewegung für Frauen in schwierigen Lebenslagen zu erleichtern, die Frauen in ihrer Kontrolle über die eigene Gesundheit zu stärken und lokalen Strukturen der Gesundheitsförderung für die Zielgruppe auszubauen.

Der Ansatz wurde im Jahr 2005 an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt und im Rahmen von Modellprojekten in die Praxis übertragen und erprobt.

Brennpunkt 1: Bewegung

Trotz der deutlichen Evidenzen des Nutzens einer körperlichen Aktivierung mangelt es derzeit an Konzepten, die eine Förderung körperlicher Aktivität im Sinne des WHO-Ansatzes der Gesundheitsförderung zu leisten vermögen. Internationale Empfehlungen zur Förderung körperlicher Aktivität haben sich im letzten Jahrzehnt von einer primär sportmedizinisch und trainingswissenschaftlich orientierten Sichtweise (Betonung der Bedeutung von Kraft- und Ausdauertraining) zugunsten einer komplexen Sichtweise (Konzept der health-enhancing physical activity – HEPA) verschoben. Hierdurch wurde eine Auseinandersetzung z.B. mit der Schaffung von bewegungsfreundlichen Lebenswelten (Fahrrad fahren, zu Fuß gehen) erreicht. Jedoch werden die gesundheitlichen Effekte einer körperlichen Aktivierung auch bei HEPA weiterhin aus einer physiologisch fokussierten Sichtweise heraus betrachtet (Messung des Kalorienverbrauchs).

Dem BIG-Ansatz liegt dagegen ein Konzept der gesundheitsförderlichen Bewegung zugrunde, das die möglichen Zusammenhänge von Bewegung mit Dimensionen der Bildung, sozialen Teilhabe und sozialen Unterstützung auf individueller Ebene sowie der Schaffung gesunder Lebenswelten und gesundheitsförderlicher Politik auf gesellschaftlicher Ebene berücksichtigt. Der Bewegungsansatz in BIG weist dadurch ein hohes Maß an Kompatibilität zum WHO-Konzept der Gesundheitsförderung auf.

Brennpunkt 2: Aktivposten für Gesundheit

Eine salutogenetische Perspektive gilt als ein wesentliches Kennzeichen von Gesundheitsförderung. Nichtsdestoweniger sind Gesundheitsförderungsansätze in der Praxis häufig defizitorientiert: Die meisten Interventionen zielen auf die Bestimmung und wirkungsvolle Beeinflussung gesundheitsrelevanter Probleme und Bedarfe. Bei sozial benachteiligten Zielgruppen scheint dies sogar besonders nahe zu liegen. Primär defizitorientierte Ansätze laufen jedoch Gefahr, dass mögliche Aktivposten für die Gesundheit übersehen werden und folglich für konkrete Gesundheitsförderungsmaßnahmen ungenutzt bleiben. Vor diesem Hintergrund hat die WHO zusammen mit verschiedenen Public-Health Organisationen jüngst ein Assets for Health and Development-Programme gestartet, das speziell darauf ausgerichtet, Aktivposten für Gesundheit zu bestimmen und für Gesundheitsförderung zu nutzen.
Im BIG-Ansatz ist es über die Kooperation mit dem WHO-Venice Office als wissenschaftlichem Projektpartner gelungen, auf die Entwicklung des Assets-Ansatzes unmittelbar Einfluss zu nehmen. BIG ist eine der ersten Fallstudien zu diesem Ansatz weltweit und hat die dabei gewonnenen Erkenntnisse u.a. über eine erste WHO-Buch-Publikation zu diesem Thema 2010 in die internationale Diskussion eingebracht.


Brennpunkt 3: Policy

Obwohl schon in der WHO-Ottawa Charta 1986 die Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Gesamtpolitik gefordert wird, ist Gesundheitsförderung in der Praxis weiterhin primär auf den Gesundheitssektor fixiert. Entscheidende Determinanten von Gesundheit und Gesundheitsförderung, z.B. im sozialen, ökonomischen oder infrastrukturellen Bereich, können so kaum wirkungsvoll beeinflusst werden. Notwendig sind daher neue Ansätze, die zeigen, wie Gesundheit angemessen auf der Agenda aller relevanten Politikfelder (Policies) zu positionieren ist.
Trotz der Einsicht in die Bedeutung des Policy Themas, ist die gesundheitswissenschaftliche Forschung zu Policy Analyse und Policy Entwicklung noch eher die Ausnahme als die Regel. Insbesondere mangelt es an „harten Daten“ über gesundheitsrelevante Policy Strukturen und Policy Optionen außerhalb des Gesundheitssektors.
Der BIG-Ansatz hat untersucht alle relevanten Politikfelder auf nationaler, Länder- und lokaler Ebene , die Optionen für die Förderung von Gesundheit und Bewegung bieten könnten. Es wendet dabei einen der wenigen theoretischen Ansätze im Bereich der gesundheitswissenschaftlichen Policy Analyse an, der bereits in einer international vergleichenden Studie erfolgreich empirisch überprüft wurde.


Brennpunkt 4: Beteiligung

Partizipation ist ebenfalls schon in der Ottawa Charta der WHO als konstitutives Moment von Gesundheitsförderung verankert. Nichtsdestoweniger ist eine adäquate Beteiligung von Zielgruppen und anderen Stakeholdern in der Praxis der Gesundheitsförderung bis heute keineswegs selbstverständlich. Diese Divergenz von Theorie und Praxis impliziert Fragen nach angemessenen Konzepten und Umsetzungsstrategien für Beteiligung auf der einen Seite und nach individuellen und sozialen Bedingungen der Teilnahme auf der anderen Seite. Gerade im Hinblick auf sozial benachteiligte Zielgruppen, zu denen Gesundheitsförderungsmaßnahmen in der Regel schwieriger Zugang finden, ist die Frage der Beteiligung (auch im Zusammenhang mit Befähigung) besonders wichtig.
BIG hat eine ganze Reihe positiver Erfahrungen mit einem umfassenden Beteiligungsansatz gemacht, der insbesondere die Frauen der Zielgruppe systematisch zu Mitgestalterinnen des Projekts werden ließ. Dabei wurden in BIG zugleich wichtige neue Erkenntnisse über mögliche Determinanten für die Beteiligung bisher schwer zu erreichender Zielgruppen
gewonnen.


Brennpunkt 5: Multidimensionale Intervention

Gesundheitsförderliches Handeln zielt sowohl auf Verhaltens- als auch auf Verhältniswirkungen, die sich nicht selten wechselseitig bedingen. So kann eine ansprechende und sichere Bewegungsumwelt Menschen zu Bewegung anregen. Umgekehrt können deren Bewegungsaktivitäten zur Attraktivität und Sicherheit der Bewegungsumwelt beitragen. In vergleichbarer Weise können politisch initiierte Gemeinschaftsaktionen (z.B. die gemeinsame Planung und Umsetzung von Bewegungsprogrammen mit Frauen in schwierigen Lebenslagen) die Befähigung der Frauen zur Kontrolle ihrer Lebensbedingungen fördern, während umgekehrt solche Gemeinschaftsaktionen von der Beteiligung befähigter Frauen profitieren.
Im BIG-Projekt sind die konkreten Maßnahmen der Intervention zur Bewegungsförderung von Frauen in schwierigen Lebenslagen in einem kooperativen Planungsprozess gemeinsam mit Frauen der Zielgruppen, Experten und Entscheidungsträgern entwickelt und umgesetzt worden. Dabei wurden von den Maßnahmen unterschiedliche Dimensionen angesprochen: unterschiedliche Bewegungsprogramme zielen primär auf gesundheitliche, gesundheitsverhaltensbezogene und soziale Wirkungen; die Einrichtung von Bewegungsgelegenheiten wie einer Frauenbadezeit und der Zugang der Zielgruppe zu verschiedenen Sportanlagen dienen der Verbesserung der Bewegungsverhältnisse; zielgruppenadäquate Übungsleiterinnenausbildung entwickelt individuelle Kompetenzen der Frauen, während die Etablierung von BIG-Projektbüros/-Koordinationsstellen und deren Einbindung in bestehende institutionelle Strukturen unterstützende organisatorische Kapazitäten aufbaut.


Brennpunkt 6: Integrierte Evaluation

Das Thema „Evidenzbasierung“ ist für die Gesundheitsförderung seit einigen Jahren aktuell. Eine wichtige Frage ist in diesem Kontext, ob der Ansatz von evidenced-based medicine mit der Priorisierung von randomisierten kontrollierten Studien (RCT) im Prinzip auch für diesen Bereich gilt oder Gesundheitsförderung aufgrund der Besonderheit der hier untersuchten Phänomene ein anderes Paradigma benötigt. Nachdem in diesem Zusammenhang zunächst die Abgrenzung einer eigenständigen Position der Gesundheitsförderung im Vordergrund stand, wird in jüngster Zeit auch im WHO Kontext verstärkt über integrierte Evaluationsansätze nachgedacht. Dabei geht es vor allem darum, die grundsätzliche Evaluationsperspektive in der Gesundheitsförderung z.B. mit medizinischen und ökonomischen Evaluationsansätzen zu verbinden.
Im BIG-Ansatz werden unterschiedliche Ansätze und Paradigmen aus Gesundheitsförderung, Sportmedizin und Gesundheitsökonomie in einem umfassenden Evaluationsdesign zusammengeführt. Die Evaluation bezieht sich sowohl auf den gesamten Prozess der Projektentwicklung und -umsetzung (z.B. unter dem Aspekt der Beteiligung der Zielgruppe) als auch auf die spezifischen Maßnahmen der multidimensionalen Intervention. Bei der Wirkungsanalyse zu den Maßnahmen werden physiologische und psychologische Gesundheitsparameter ebenso untersucht wie Veränderungen im Gesundheitsverhalten, soziale und politisch-organisatorische Wirkungen und gesundheitsökonomische Variablen.


Brennpunkt 7: Nachhaltigkeit

Viele hervorragende Modellprojekte in der Gesundheitsförderung, die zunächst beeindruckende Wirkungen erzielt haben, sind am Ende daran gescheitert, das Projekt nachhaltig abzusichern, d.h. auch nach Beendigung der eigentlichen Projektlaufzeit (z.B. durch Ablaufen des Förderzeitraums) die Aktivitäten fortzuführen.
Der BIG-Ansatz legt in allen Phasen ein besonderes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit: Ein wesentlicher Grund für die Erkundung von Policy-Optionen und Aktivposten besteht darin, Möglichkeiten der weiteren Förderung und Unterstützung zu eruieren, an die nach Ablauf der eigentlichen Projektförderphase zur Fortführung und Weiterentwicklung von BIG-Aktivitäten angeknüpft werden kann. Die frühzeitige Beteiligung der Frauen und der unterschiedlichen Stakeholder an der Projektentwicklung dient nicht zuletzt der Entwicklung von Selbstverantwortung (im Sinne von Ownership) für BIG vor Ort – einer weiteren wichtigen Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Diese Entwicklung wird durch die Übernahme der Projektsteuerung durch die kooperativen Planungsgruppen verstärkt und zugleich durch eine Reihe von Maßnahmen (z.B. Einrichtung von BIG-Projektbüros) der organisatorisch-strukturelle Boden für die Nachhaltigkeit von BIG bereitet.


 


 

Auszeichnungen

 

national:

 

  • Gütesiegel von www.gesundheitsziele.de
  • Preisträger des 3. Präventions- und Gesundheitsförderungspreis der IBK, April 2008

 

  • Preisträger des Erlangener Medizinpreises des Vereins „Gesundheit und Medizin in Erlangen e.V.“, November 2009
  • Praxismodell im „Regionaler Knoten für Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ (LZG, Bayern), www.lzg-bayern.de/

 

international:

  • WHO-Fallstudie für…
    • … „Assets for health and development“
    • … „Tackling obesity by creating healthy residential environments“
    • … „PHAN“ (Physical Activity and Networking)
  • Beispiel guter Praxis im SANTE Handbuch der International Sport und Culture Association (ISCA), http://issuu.com/iscaoffice/docs/sante_handbook/2
  • Beispiel guter Praxis im Rahmen des MOVE Projekts (European Physical Activity Promotion Forum) der  International Sport und Culture Association (ISCA)